Am Freitag Abend war Grillen mit Frank, Denise und unseren 4 Kindern angesagt. Gegen 19 Uhr stießen noch Thomas' Eltern dazu, die gerade eine 8-stündige Autofahrt vom Lake Tahoe nach Salt Lake hinter sich hatten. Sie hatten viel zu erzählen und der Abend war lauschig. Karla war erst einmal wieder etwas schüchtern, was sich aber bald gab. In der Kita hatte ich schon angekündigt, dass Karla die gesamte nächste Woche nicht kommen würde. Gloria war daraufhin ganz geknickt und rief Karla „I love you“ hinterher. Das hat sie bisher noch nie gemacht...
Samstag früh fuhr ich nach dem gemeinsamen Frühstück in die Hauptbibliothek zur 4-stündigen, bezahlten Mitarbeiterschulung. Nachdem ich gehetzt ankam, weil ich wegen eines entfernten Parkplatzes rennen musste (Parkhaus nicht zugänglich aufgrund eines Laufs gegen Brustkrebs), ließ sich die Schulung nur laaangsam an. Drei Mitarbeiter der Personalabteilung erzählten elf neuen Mitarbeitern stundenlang etwas über die Bibliothek. Den Großteil davon hätte man auf der Homepage lesen können. Das macht zumindest ein Deutscher, der sich bei der Bibliothek auf eine noch so kleine Stelle bewirbt :-) Es gab einen Ordner dazu. Man hätte das auch einfach auf eine Stunde plus Ordner mit einem Mitarbeiter der Personalabteilung kürzen können. Na ja. Wir fingen 20 Minuten zu spät an. Jeder sollte erst einmal sagen, was er auf dem Weg hierher im Autoradio gehört habe. Wer mit dem Rad fuhr, sagte „Verkehrsgeräusche“.... Dann gab es noch eine Runde mit Vorstellung mit Namen und Hobbys. So brachten wir die erste Stunde zu. Dann gab es Selbstbeweihräucherung allererster Güte - und wie glücklich wir uns schätzen konnten, so eine begehrte Stelle ergattert zu haben (aber alles ganz lieb, versteht sich). Dann wurde das „Mission Statement“ der Bibliothek vorgelesen. Dann gab es eine Pause und danach beschäftigten wir uns mit dem Auftrag der Bibliothek. Ich dachte, ich lerne etwas Praktisches über den Umgang mit dem Bibliothekssystem oder so. Nö. Nix dergleichen. Am Ende ging es dann um das Praktischste der ganzen Schulung: Datenschutz und Belästigung am Arbeitsplatz, wozu wir uns noch 20 Minuten Video (VHS!) ansehen mussten. Dann gab es noch eine freiwillige Tour durch die Bibliothek, die nur 15 Minuten dauern sollte. Bis der andere Teilnehmer bereit war, vergingen wieder 30 Minuten und die Führung dauerte auch nochmals 30 Minuten. Damit war ich halb drei zuhause... und war nicht schlauer als vorher. Wobei – ich wusste nun, wie ich aus dem Parkhaus zum Personaleingang kam und wo ich das Rad parken konnte. Und ich bekam meine Park-/Schlüsselkarte.
Am Samstag ging dann nicht mehr viel. Thomas war Mountain Bike gefahren und seine Eltern genossen die stationäre Ruhe nach dem stressigen Herumreisen der letzten drei Wochen. Es war sehr warm. Ich schlug vor, Karlas Pool aufzublasen. Mit unseren beiden Radpumpen bewaffnet, machten sich die Männer „Papa Boma“ und „Opa Warna“ ans Werk und stellten fest, dass das ein gutes Workout sei. „Oma Tine“ und „Mama Sanne“ schauten großteils zu. „Dotta Kala“ verschaffte sich einen Vorgeschmack aufs Planschen unterm Sprenger. Am Abend gab es „Pitta“.
Am Sonntag waren Thomas und ich von Thomas' Kollegen John und dessen Frau Catherine zum Reiten eingeladen. Um 9 Uhr trafen wir sie bei sich und fuhren in die Berge des „Tooele County“ (sprich: Tuäla, ich dachte immer: Tuli). Der Name kommt angeblich aus der Indianersprache der Goshute-Indianer und soll „Bär“ bedeuten. Jedenfalls befindet sich noch heute dort ein großes Indianerreservat.
Exkurs zur Geschichte von Tooele County aus Wikipedia:
Tooele County wurde im Jahre 1852 gegründet. Es haben sich viele Indianer in diesem Gebiet niedergelassen, aber nur der shoshonisch sprechende Goshute-Stamm nahm dieses Gebiet in Besitz und betrachtete es als angestammtes Heimatland. Das traditionelle Territorium der Goshuten befand sich zum größten Teil im modernen Tooele County. Im Jahre 1852 wurden Grantsville, Batesville und Pine Canyon (später Lake View) besiedelt. Im Jahre 1855 wurde die Stadt Richville als Countysitz festgelegt, aber es stellte sich schnell heraus, dass Tooele die größere Stadt war. 1861 wurde Tooele unwiderruflich als Countysitz festgelegt.
General Connor, ein überzeugter Mormonengegner brachte 1864 Truppen in dieses Gebiet. Er war davon überzeugt, dass die Besiedlung in diesem Gebiet mit Minenarbeitern die Vorherrschaft der Mormonen beenden würde. Der Rush-Valley-Minen-Distrikt wurde in den westlichen Oquirrh-Bergen errichtet. Über 100 Claims wurden im ersten Jahr abgesteckt. Zwei neue Minenstädte entstanden: Ophir und Mercur. 1870 lebten mehr als 6.000 Nicht-Mormonen in diesem Gebiet.
Von 1874 bis 1879 haben Nicht-Mormonen (Politiker der Liberalen Partei von Utah) die Kontrolle über die Politik in Tooele übernommen. Es war das erste Mal, dass Nicht-Mormonen die Geschicke des Landes lenkten. Als Folge riefen Sie die Republic Tooele aus.
Der Minenbetrieb ist auch ein wichtiger Bestandteil im 20. Jahrhundert. Das County hat aber auch einen Nutzen von den zwei großen Militärbasen. Die Wendover Air Force Base ist nun geschlossen. Es war das Trainingsgebiet für die Enola-Gay-Crew, welche den ersten Atombombenabwurf 1945 vorbereitet hat. Das Tooele Army Depot (1942 errichtet) beherbergt den größten Teil an biologischen und chemischen Waffen der USA. Über 45 % der ABC-Waffen der USA lagern hier.
Nach einer Stunde Fahrtzeit Richtung Grantsville verluden wir drei Pferde für John, der selbst schon mehrere Jahre nicht mehr geritten war, Thomas, der noch nie auf einem Pferd gesessen hatte und mich, die ich nur wenig Reiterfahrung habe, auf einen Trailer und zogen sie mit einem Pickup noch einige Meilen weiter dorthin, wo Catherine ihre Stute „M&M“ stehen hatte. Dann fuhren wir mit noch einem Ehepaar und mittlerweile zwei Pickups mit Trailern dran eine holprige Straße an den Fuß der Stansbury Mountains. Dort sattelten wir auf. Ich wusste ja, wie man auf das Pferd kommt. Thomas stand davor, noch etwas skeptisch seine Stute „Lucky“ betrachtend, und fragte, wie er darauf komme. Catherines Antwort: Schwing dich einfach hoch, wie deine Frau!“. Er bekam noch gesagt, wie er die Zügel halten muss und wo seine Füße sein müssen, dann war er dem Pferd ausgeliefert. Ich konnte ihm noch sagen, was ich wusste, wie man in die „verschiedenen Gänge schaltet“ usw. Dann trafen wir auf einige Cowboys, denen das Land gehörte, in das wir reiten wollten. Sie waren recht freundlich, weil wir auf Pferden und nicht auf Motorrädern unterwegs waren und also nicht viel Schaden anrichten würden. Währenddessen waren meine „Star“ und Thomas' „Lucky“ ständig in Bewegung und am Fressen. Wir hatte unsere liebe Mühe, sie immer wieder dorthin zu dirigieren, wo wir sie hinhaben wollten. Dann ging es endlich los. Veranschlagt waren 2 Stunden im Sattel. Es wurden 3,5 Stunden!
Am Anfang war noch alles schick. Ein schöner, breiter Weg als Untergrund. Man konnte sich unterhalten. Nicht zu heiß, eine leichte Brise. Dann irgendwann, als wir bergauf ritten, verlor sich der Pfad und Catherine stellte fest, dass sie wohl einen falschen Abzweig gewählt hatte. Was ja an sich auch nicht schlimm gewesen wäre, wenn unser Cowboy Eso nicht darauf bestanden hätte, dass wir uns dann unseren eigenen Trail suchen. Es wurde immer unwegsamer und steiler. Bald schon ritten wir einzeln hintereinander und mussten Pausen für die Tiere einlegen, weil diese vom steilen Anstieg geschafft waren und stark schwitzten. Es wurde immer enger, immer öfter schlugen uns die harten Äste der Wacholderbäume an alle exponierten Körperteile. Es hieß immer öfter Kopf einziehen. Kurz nachdem Eso sich sicher war, dass wir gleich auf einen Trail kommen würden, stießen wir auf einen Stacheldrahtzaun. Spätestens hier hätten wir umkehren sollen. Doch wir ritten hinunter in den trockenen Canyon – steil nach unten durch noch mehr Wacholder. Die Pferde verloren langsam die Geduld mit ihren Reitern. Es hieß oben bleiben und ich war froh über den albernen Helm und die Jeans, die ich trug. Thomas fluchte und verkündete, dass er nie wieder auf ein Pferd steigen würde. Nachdem Eso ein ums andere Mal Äste abbrach, damit wir überhaupt weiterkamen, und unsere Arme schon blutig und unsere Beine blau waren, kamen wir endlich im Flussbett an und hofften, einfach darin aus dem Canyon reiten zu können. Doch leider hatte der einst reißende Fluss große Felsbrocken darin zurückgelassen, die sich nicht ohne Weiteres umreiten ließen. Einige stiegen ab, doch ich fühlte mich auf Stars Rücken noch sicherer als neben ihr. Sie wog immerhin um die 500kg und meine Füße sind schon platt. Ich hatte Vertrauen in Stars Können im Terrain. Anders als die anderen Pferde stolperte sie selten – oder ich merkte es von oben vielleicht einfach nicht. Der Canyon fiel zwar steil, aber seicht ab, und einige Male waren die Pferde der anderen seitlich weggerutscht. Also mussten wir, um die Felsbrocken zu umreiten, erst nach rechts steil hoch reiten und dann dahinter wieder links steil hoch und dann hoffen, dass sich dahinter in besserer Pfad ergeben würde, wenngleich auch dieser noch nicht eben sein würde. Alle waren inzwischen abgestiegen und zum Teil war die Gruppe nicht mehr beieinander. Auch unter den Tieren gibt es eine Hierarchie. Einige Pferde sind bessere Leittiere, weil sie mutiger sind – oder auch vorsichtiger! Wenn ein mutiges Pferd einen Pfad begeht, folgen ihm die anderen bereitwilliger. Wenn ein Pferd Angst hat, irgendwo lang zu reiten, wird der Reiter es nicht dazu zwingen können: You can lead a horse to the water but you can't make it drink. Es ist nun einmal kein Auto – zum Glück. Wir führten also die Tiere am Zügel durch die knorrigen Wacholderbäume. Man muss darauf achten, stets vor dem Tier zu bleiben. Am zu überquerenden Ufer hinter dem Felsen angekommen, wartete ich. Star war jedoch schon unruhig und wollte weiter, den anderen Reitern hinterher, die ihre Tiere am Zügel steil durch das Flussbett hochgeführt hatten. Ich konnte sie nicht beruhigen und merkte, dass es nun hieß, entweder die Stute loslassen oder aufsitzen und im Teufelsgalopp hochreiten. Ich entschied mich für Letzteres. Ich saß auf. Da kamen die anderen: John, Eso und Thomas. Ich presste meine Beine an Stars Flanken und gab ihr einen lockeren Zügel zum Zeichen, dass sie übernehmen konnte. Sie preschte los – und machte einen riesigen Sprung über das Flussbett und geradewegs steil nach oben. Ich beugte mich vor, um ihr ihre Aufgabe zu erleichtern und besser im Sattel zu bleiben. Oben angekommen, hörte ich Eso rufen: Wow, you are a bold person! (Du bist tough!) Ich ritt schnell zu den anderen, da Star in der Gruppe leichter zum Halten zu bringen bzw. zu beruhigen sein würde. Plötzlich kamen die Pferde der drei ohne Reiter hinterdrein. Thomas, John und Eso hatten sich für Variante Nummer 1 entschieden und kamen selbst den Canyon hochgekrabbelt. Danach wurde es tatsächlich besser und bald stießen wir auf den eigentlichen Trail, den wir schnellstmöglich zurück zu den Trailern ritten. Verstaubt, innerlich wie äußerlich, kamen wir gegen 17 Uhr mit teilweise zerrissenen Sachen und völlig zerkratzt zuhause an. Wie sich herausstellte, hatten auch die Tiere einige Blessuren davongetragen und Scott, ein erfahrener Reiter, der mit seiner Frau mitgeritten war, putzte Eso für seine Sturheit nicht umkehren zu wollen, später noch ziemlich herunter, wie John erzählte. Alle waren sich jedoch darüber einig, dass wir uns sehr tapfer geschlagen hatten. Und am nächsten Morgen meinte Thomas dann doch, dass er schon mal wieder reiten würde. Tags darauf arbeitete ich am Nachmittag in der Bibliothek und wurde gefragt, ob ich eine Katze hätte, da ich so zerkratzt sei. Als ich erzählte, ich sei Reiten gewesen, woraufhin vermutet wurde, dass ich vom Pferd gefallen sei. Eben nicht – wer weiß, wie wir dann ausgesehen hätten!
Ich muss gestehen, dass ich zwischendurch schon Angst hatte, dass sich ein spitzer Angst zwischen meine Rippen oder sonstwohin spießen könnte oder ein Ast mich vom Pferd wischt. Aber alles in allem war es doch ein schönes Abenteuer und hat mein Vertrauen in die Tiere eher gestärkt. Auch Thomas' Interesse an Pferden hat zugenommen. Am Montag erzählte er mir in Fakten zur Leistung, wie sich das Herz eines Pferdes von dem eines Menschen unterscheidet. :-) Man kann sich auch für das Gleiche interessieren und dabei trotzdem von völlig unterschiedlichen Dingen fasziniert sein :-)
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